Kunst

( Station #9 )

Aller Tage Morgen // All Days Morning

Die Arbeit ALL DAYS MORNING (oder auch ALL DAYS TOMORROW) ist eine Kunstinstallation im öffentlichen Raum, die sich mit bestehenden lokalen Systemen auseinandersetzt. Die fünf Sprachen Deutsch, Ukrainisch, Arabisch, Dari/Farsi und Kurdisch sind zu einem ineinandergreifenden Reliefobjekt verschmolzen. Die jeweiligen Schriftseiten sind buchstäblich ineinandergeschoben, geschichtet, verkeilt und verwoben. Das aus Cortenstahl lasergeschnittene Objekt schützt und bewahrt sich selbst vor der Witterung, indem es langsam eine Rostpatina entwickelt. Neben einem schmalen, versteckten Nischengang, angebracht an einer silbernen Aluminiumwand eines Hotels und einer Jugendherberge, ignoriert das Schriftobjekt die Konkurrenz mit dem gigantischen Durcheinander von Baustellen, Riesenrad und Wolkenkratzern und erzeugt stattdessen eine poetische Irritation durch seine kleine, zerbrechliche und doch scharfe, robuste Präsenz.

ALLER TAGE MORGEN thematisiert die Gleichzeitigkeit und Komplexität im Kontext des alltäglichen Lebens in einer globalisierten, vernetzten, informationsvermittelnden, digital zugänglichen, komplex erlebten Welt. Die Installation beschäftigt sich mit der veränderten Wahrnehmung des öffentlichen Raums durch klangliche und visuelle Signale und beleuchtet die Veränderung der Wahrnehmung durch Informationsaufnahme. Der Alltag, das Moment des Alltäglichen, die alltägliche Lebenswelt und ihre Veränderungen und vielfältigen Konnotationen werden durch das Eindringen in einen anderen Alltag neu erlebt und hinterfragt. Behutsam subversiv und zugleich drastisch klinkt sich die Arbeit in die lokale Welt ein - in bestehende Räume, bestehende (Klang-)Systeme, bestehende Wege, Infrastrukturen, Orte. Auf verschiedenen Ebenen öffnen sich Grenzen und ihre Erweiterungen, sie verschieben und verschränken sich. Die sensorischen (akustischen und visuellen) und inhaltlichen (Kontext) Informationen eröffnen kein kohärentes, homogenes Bild, sondern stören, fragmentieren und brechen das Erlebte auf.
Das Kunstwerk dringt zunächst harmlos und beiläufig in das Unterbewusstsein ein, entfaltet sich dann zunehmend komplexer und irritiert das Zeit-, Raum- und Ortsempfinden. Die akustische Wiedergabe von Alltagssituationen, die mit menschlichem Austausch, Vielfalt, Zusammenkunft, Nahrungsaufnahme, Vitalität und Lebendigkeit verbunden sind, wird in ihrer Wahrnehmung beeinflusst, sobald die Information über ihre Herkunft aus Kriegs- und Krisengebieten verstanden wird. Jener akustische Teil der Installation wurde 2022 im Rahmen der Ausstellung Spektrum in einer halboffenen Tiefgarage gespielt. Das bestehende Soundsystem wurde gehackt; anstelle von Vogelgezwitscher wurden dort drei aktuelle Klänge von Marktplätzen in der Ukraine (Charkiw), im Irak (Erbil) und in Afghanistan (Kabul) abgespielt. Einer der wichtigsten Teile der Arbeit ist, auch wegen der schwierigen Bedingungen vor Ort, die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, die den Ton in den jeweiligen Ländern und Gebieten aufgenommen haben.

Hard Facts

Künstler:in
Lia Saile
Jahr
2022
Material
Reliefobjekt, Cortenstahl~70 x 22,7 x 2 cm

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