Kunst

( Station #7 )

Resonanzachsen

Leonie Felles Installation Resonanzachsen befindet sich an der Rückseite der Tonhalle, an einer alten Gerüstkonstruktion. Die Künstlerin hat dieses Gerüst bei einem Rundgang durch das Werksviertel entdeckt und eine ortspezifische Arbeit dafür entwickelt. Interessiert hat sie an dieser Stelle, dass hier alt und neu aufeinandertreffen. Das Gebäude der Tonhalle grenzt an das der Nachtkantine. Beide flachen Bauten sind Überbleibsel des ehemaligen PFANNI-Werks und bilden eine bauliche Ausnahme zwischen den neuen Hochhäusern auf dem Gelände. Ringsherum sind in den letzten Jahrzehnten hohe Neubauten hinzugekommen oder bestehende Gebäude wurden aufgestockt. Wer sich hier umschaut, sieht auch, dass die Baumaßnahmen noch nicht beendet sind. Von dieser Situation des Umbruchs hat sich Leonie Felle inspirieren lassen. Sie hat eine Zeichnungsserie von stilisierten Hochhäusern produziert und auf drei Planen drucken lassen, die jetzt an der Gerüstkonstruktion hängen. Die gezeichneten Rechtecke, übereinander - untereinander - nebeneinander, werden zum Muster. Sie greifen die Architektur im Hintergrund auf und spiegeln die Umgebung wider. Wie Werbetafeln eines kommenden Bauvorhabens fügen sie sich hier vor Ort ein und zeigen eine mögliche Zukunft des Standortes.

Der Titel der Arbeit lautet Resonanzachsen. Diesen Begriff hat Leonie Felle aus dem Buch „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ von Hartmut Rosa entliehen. Der Autor schreibt darin über drei Resonanzachsen: Die horizontale, vertikale und diagonale Resonanzachse, die er als soziale, geistige und materielle Beziehung zur Welt deutet. Resonanz sieht er als eine Metapher für Beziehung. Er schreibt, dass die Resonanzverhältnisse der Moderne gestört sind. Die Steigerungslogik der modernen, kapitalistischen Gesellschaft, die sich immerzu ausdehnen und wachsen muss, Produktion und Konsum steigern und Optionen und Anschlusschancen vermehren muss, sich beschleunigen und dynamisieren muss, um sich und ihren Status quo zu erhalten, lässt die Weltbeziehung - also die Resonanz zwischen Subjekt und Welt - auf Dauer verstummen. Leonie Felle beschäftigt die Frage, wie wir unsere Beziehung zur Welt wiederherstellen können, wenn wir nicht zuhören? Denn Resonanz ist kein Echo, sondern Sprechen mit eigener Stimme und einem sprechenden Gegenüber.
Leonie Felle studierte von 2001 bis 2004 an der Staatlichen Fachakademie für Fotodesign in München und schloss die Ausbildung als Fotodesignerin ab. Im Anschluss studierte sie von 2004 bis 2011 an der Akademie der Bildenden Künste München in der Bildhauerklasse von Olaf Metzel als Meisterschülerin. Die Künstlerin lebt in München und Rott am Inn. Leonie Felles Arbeiten entwickeln sich im Zusammenspiel unterschiedlicher Medien und künstlerischer Ausdrucksformen und verweisen oftmals auf Zeitkonstruktion(en), auf Anachronismen und Vergänglichkeit. Die Künstlerin nutzt Fotografie, Installation, Text und Sound, um narrative Strukturen zu entwickeln und eine produktive Spannung zwischen den einzelnen Elementen anzulegen.

Hard Facts

Künstler:in
Leonie Felle
Jahr
2022
Material
Installation an Gerüstkonstruktion, Zeichnung, Digitaldruck auf 3 PlanenJe 1.870 mm x 2.690 mm

Stationen